Oberteil der Beschichtungskammer
Dieser Kammerbereich beinhaltet hauptsächlich das Sputtersystem (Abb. 6). Es verfügt insgesamt über acht radial angeordnete Von Ardenne Standard Single Magnetrons (SSM) mit planaren Targets, mit denen Aluminium, Silber, Nickel-Chrom und Silizium gesputtert werden können. Für die Abscheidung im reaktiven Sputterprozess kann neben dem Arbeitsgas Argon auch Stickstoff, Sauerstoff und Krypton direkt an den Magnetrons eingelassen werden. Das Sputtersystem kann beide Ringe des M1M3-Spiegels gleichzeitig mit demselben Material beschichten.
Die Magnetrons selbst werden in zwei Baugrößen verwendet. Die zur Beschichtung des M1-Spiegels eingesetzte Konfiguration (SSM 11-41) hat mit 1,9 m breiten Magnetrons einen effektiven Sputterradius von 1,7 m und verfügt über eine Maskenform zur Anpassung der Beschichtungsrate an den Krümmungsradius des M1-Spiegels. Die M2- und M3-Spiegel werden mit 2,4 m breiten Magnetrons (SSM 13-43) mit einem effektiven Sputterradius von 2,0 m beschichtet. Die 2,4 m breiten Einheiten verfügen über zwei verschiedene, austauschbare Masken, die speziell für die M3- und M2-Krümmungen entwickelt wurden.
Bewegliche Masken sorgen dafür, dass bei jedem Überlauf an der Überlappstelle ein homogener Beschichtungsverlauf erfolgt. Form und Bewegung der Masken müssen hierbei sehr genau auf die Geometrie der Spiegel abgestimmt werden. Die acht Magnetrons werden über zwei Motoren bewegt und rotieren bis zu 540° über dem Spiegel. Alle Medien für die Magnetrons (Strom, Kühlwasser, Gas) sowie die Steuerung werden zentral über die Hauptwelle eingespeist, welche vakuumseitig mittels ferrofluidischer Drehdurchführung abgedichtet ist.
Die Versorgungseinheiten der Magnetrons, wie Gasflussregler, Drucksensoren, Maskenantriebe sowie Wasser- und Gasverteilungssysteme befinden sich in oberhalb der Magnetrons angeordneten Behältern, die unter Atmosphärendruck stehen.
Der Oberteil der Beschichtungskammer ist an Hebeböcken aufgehängt, die das Gesamtgewicht der Kammer von 140 Tonnen anheben und das Oberteil positionsgenau auf deren Unterteil absenken können. Eine der zentralen Herausforderungen des Projektes bestand dabei in der absolut sicheren Ausführung der Konstruktion zum Schutz des Spiegels vor Beschädigungen, da ein Großteil der Komponenten oberhalb der Spiegeloberfläche angebracht ist.
Spezielle konstruktive Maßnahmen sind notwendig, um ein Lösen und Herabfallen von Bauelementen zu verhindern, ebenso wie Sicherheitseinrichtungen, die eine Berührung der Spiegeloberfläche beim Herabsenken des Oberteils zuverlässig vermeiden. Zusätzlich ist bei einer derartig großen Vakuumkammer auch auf mögliche Verformungen der Kammer beim Anpumpen zu achten.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Aufstellort der Anlage in einem erdbebengefährdeten Gebiet befindet.
Zwischenring
Eine der Herausforderungen bestand darin, dass der M1M3-Spiegel mit seinem eigenen Kammerunterbau (Zelle) eingesetzt werden muss, der allerdings aufgrund seiner für die Beschichtungsanforderungen unzureichenden Vakuumtauglichkeit vom eigentlichen Beschichtungsbereich abgekoppelt werden muss. Die Funktion dieses Dichtungssystems zwischen dem Vakuum in der oberen Kammer und dem Vakuum in der unteren Kammer übernimmt eine aufblasbare Dichtung an der Innenseite des in Abb. 5 erkennbaren Zwischenrings.
Dabei wirkt diese Dichtung gegen den Rand des M1M3-Spiegels, wobei dieser damit die Funktion einer Membran zwischen den beiden Vakuumbereichen bekommt. Zum Schutz des Spiegels müssen Druckunterschiede zwischen den beiden Bereichen in allen Arbeitszuständen der Anlage prinzipiell ausgeschlossen werden. Dazu verfügt das Dichtungssystem über spezielle Sicherheits- und Vakuumentlüftungssysteme.
Das Vorvakuum der Anlage wird über die bewährte Kombination aus Drehschieber- und Wälzkolbenpumpen der Leybold GmbH erzeugt. Für das Hochvakuum im unteren Kammerbereich kommen Turbopumpen der Pfeiffer Vacuum Technology AG in Kombination mit Schraubenpumpen von Leybold zum Einsatz. Den für die Beschichtungsvoraussetzungen erforderlichen Enddruck im Bereich von 10-7 mbar stellt eine Kombination aus unterschiedlichen Kryopumpen, ebenfalls von Leybold, sicher. Das Pumpsystem ist dabei so ausgelegt, dass die Vorpumpen den Rezipienten innerhalb von einer Stunde auf 2,7 · 10-2 mbar evakuieren können, und der erforderliche Ausgangsdruck von 3 · 10-7 mbar innerhalb von acht Stunden erreicht wird.
Unterteil der Beschichtungskammer
Das Unterteil der Beschichtungskammer dient in erster Linie dazu, die Anlage außerhalb der Beschichtungskampagnen unter Vakuum zu halten, sowie den M2-Spiegel für die Beschichtung aufzunehmen. Für die M1M3- Kombination wird dieser Kammerteil geparkt (Abb. 4), da die M1M3-Spiegel- Zelle gleichzeitig als Vakuumkammer konzipiert ist und somit das Unterteil ersetzt.
Steuerung
Die Beschichtungskammer wird von einer zentralen Software gesteuert, welche alle für den Betrieb notwendigen Funktionen, wie Vakuumsystem, Magnetrons, Gasverteilung, Schichtdickensensorik und in-situ- Kameraüberwachung beinhaltet. Die Steuerung verfügt auch über einen automatischen Modus und protokolliert sämtliche Beschichtungsparameter, inklusive dem Status jedes Teilsystems, welches zu jeder Beschichtungsabfolge gehört.
Status
Nach einem im Sommer 2018 erfolgreich durchgeführten Abnahmeprozedere mit Beschichtungstests an Dummy-Substraten an der komplett beim Kammerhersteller MAN in Deggendorf aufgebauten Anlage, erfolgte die Teildemontage und Transportvorbereitung. Von Deggendorf aus zunächst auf der Donau wurde die gesamte Anlage per Schiff bis Antwerpen transportiert, dort umgeladen und erreichte im Oktober 2018 Chile.
Die größte Herausforderung stellte jedoch der Landtransport der riesigen Kammerhälften vom Hafen bis zum Gipfel des Cerro Pachón dar. Aufgrund der Breite des Transports von 9 m mussten teilweise Straßenlaternen, Verkehrszeichen und Oberleitungen verlegt und Steigungen von 15° mit mehreren, aneinander gekoppelten Zugfahrzeugen überwunden werden.
Das größte Nadelöhr für alle Komponenten des Observatoriums stellt die Passage durch den Puclaro-Tunnel kurz vor dem Ziel dar (Abb. 7). Der Transport war Millimeterarbeit, da die beiden Kammerteile der Beschichtungsanlage immerhin die größten Komponenten darstellen.
Die Montage der Anlage startete im Januar 2019 in den vorbereiteten Hallen des Observatoriums (Abb. 8). Im Juli 2019 hat die Beschichtungsanlage mit der initialen Beschichtung des M2-Spiegels ihre erste Bewährungsprobe vor Ort erfolgreich überstanden. Die gemessenen Reflexionswerte übertrafen dabei die Spezifikationsanforderungen (Abb. 9).
Jetzt wartet die Anlage auf den M1M3-Spiegel, der mittlerweile auch auf dem Gipfel eingetroffen ist. Damit steht der Vollendung des Teleskops hoffentlich nichts mehr im Weg. 2022 soll dann das erste Mal das Licht der Sterne von diesem einzigartigen Spiegelteleskop aufgenommen werden.